Marc Chagall

Chagall wäre 2017 somit 130 Jahre alt geworden. Er gilt zu Recht als einer der bedeutendsten Maler des Jahrhunderts. Grund genug, dem Leben und Schaffen dieses großartigen französischen Künstlers, polnisch-jüdischer Herkunft, der gern auch der „Maler-Poet“ genannt wird, diesen Beitrag zu widmen.

Chagall begann archaisierend, bevor ihn Fauvismus und Kubismus beeinflussten; erst danach kristallisierte sich sein ganz eigener Stil heraus, der u. a. für den kommenden Surrealismus wichtig wurde. 

Gekennzeichnet ist Chagalls Gestaltungsweise durch die stark glühende Farbigkeit einerseits sowie durch eine phantastische Wirklichkeit andererseits. Das Irreale verkörpern Menschen und Häuser, die auf dem Kopf stehen, oder Tiere und Figuren, die frei durch den Raum zu schweben scheinen. Chagalls Oeuvre lebt von Legenden, russisch-bäuerlichen Mythen und chassidischer Religiosität. Er ist einer der bedeutendsten Repräsentanten der modernen Malerei. 

Wie viele jüdische Familien im Russland des 19. Jh. lebte auch seine Familie in kargen Verhältnissen. Chagall studierte seit 1907 in Petersburg (heute Leningrad) bei Leon Backst, der ihn mit der Malerei Paul Gauguins, Vincent van Goghs und Paul Cezannes bekannt machte. Er bestärkte ihn auch in seinen auf der Ausdruckskraft der Farbe aufgebauten Kompositionen, ohne ihm seine persönliche Vorliebe für die ornamentale Linie aufzudrängen. Während seines Aufenthalts in Witebsk im Sommer 1908 schuf er sein erstes Hauptwerk, Der Tote (Privatsammlung), das eine Verwandtschaft zur Malerei Paul Gauguins offenbart. Verkantete Formen und symbolhafte Farben drücken das Schreckliche des dargestellten Ereignisses aus. In seinen anderen Werken aus dieser Zeit beschäftigte er sich mit dem Leben der Landbevölkerung; 1909 stand seine Freundin Thea Brachmann für ihn Modell zu einer Serie von Akt- und Paarbildern, z.B. Der rote Akt. Im Herbst 1909 lernte er durch Thea Brachmann Bella Rosenfeld kennen, die seine langjährige Lebensgefährtin wurde. In diesem Jahr malte er ihr erstes Porträt: Meine Blaut mit schwarzen Handschuhen (Basel, Kunstmuseum).

 

1910 erhielt er ein kleines Stipendium, das es ihm ermöglichte, nach Paris zu reisen, wo ihn der Kubismus und der Orphismus begeisterten und auch konkret künstlerisch anregten. Ende 1911 zog er in die Künstlerbehausung La Ruche (Bienenstock). Er schuf dort sein Bild Meiner Braut gewidmet (Bern, Kunstmuseum), das eine starke erotische Symbolik aufweist. Bald machte er die Bekanntschaft der Schriftsteller Max Jacob, Guillaume Apollinaire und Blaise Cendrars. Seine Bilder von 1911, z.B. Russland, den Eseln und den anderen (Paris, Musee National d’Art Moderne) und Ich und das Dorf (New York, Museum of Modern Art), bleiben den Themen aus Witebsk treu. Schwerelos schweben phantastische Gestalten durch das Bild. Chagall hob die perspektivische Räumlichkeit und die Trennung von Grund und Figur auf und verknüpfte Formen und Gegenstände in einem stark bewegten Flächenmuster, wobei ihn in der Bewegung Vincent van Gogh und in der Organisation der Fläche der Kubismus beeinflusste.

In der farblichen Pracht und Phantasie von Ich und das Dorf oder von dem Selbstbildnis mit sieben Fingern (1911, Amsterdam, Stedelijk Museum) ist die Nähe zur Kunst Robert Delaunays zu erkennen.

Durch Apollinaire kam Chagall 1914 in Kontakt mit Herwarth Waiden, der in der Berliner Galerie Der Sturm seine erste Ausstellung mit 40 Gemälden und 120 Zeichnungen organisierte; die Katalogleitung schrieb Apollinaire. Von dort kehrte er nach Russland zurück, wo er die Kriegsjahre verbrachte und wo eine Serie von Bildnissen alter Juden entstand. 1915 heiratete er seine Braut Bella und konnte den Ersten Weltkrieg, während er in einer Schreibstube beschäftigt war, überstehen. Ein Hauptthema seiner Arbeit wurde die Schilderung seiner Liebe zu Bella: Der Spaziergang (1917, St. Petersburg, Russisches Museum).

Auch weiterhin beschäftigte er sich mit dem religiösen Leben seines Volkes, z.B. Purim (1917, New York, Sammlung Louis Stern). Chagall sympathisierte mit den Ideen der Oktoberrevolution, und er wurde 1918 Kommissar für bildende Kunst im Gouvernement Witebsk. Er gründete Museen und baute eine Akademie auf; als Lehrer berief er u. a. Ivan Puni sowie Kasimir Malewitsch und ab 1919 El Lissitzky. Mit großer Energie arbeitete er an seiner Vorstellung, die Kunst im Leben des Volkes zu verankern. Ende 1919 organisierte er eine Ausstellung mit eigenen Arbeiten und Werken Malewitschs, El Lissitzkys und Wassily Kandinskys. 1920 jedoch legte er sein Amt nieder, da die Suprematisten (-> Suprematismus] die Akademie immer mehr nach ihren künstlerischen Vorstellungen ausrichten wollten, und übersiedelte nach Moskau. In dieser Zeit zeigen seine Bilder eine stärkere Geometrisierung, z.B. die Kubistische Landschaft (1918, Bern, Sammlung Ida Meyer-Chagall). Dabei schöpfte er noch aus seiner Begegnung mit dem Kubismus in Paris und ließ sich auch von den Suprematisten beeinflussen. Er arbeitete mit dem »Moskauer Jüdischen Theater« zusammen, für das er nicht nur Bühnenbilder und Kostüme, sondern auch große Wandmalereien und einen Bühnenvorhang schuf. 

Da er aber auf die Dauer seine künstlerischen Vorstellungen in der Sowjetunion nicht verwirklichen konnte, reiste er im Sommer 1922 nach Berlin und später nach Paris. Ambroise Vollard beauftragte Chagall 1924 mit der Illustration von »Die Toten Seelen« von Nicolai Gogol und der »Fabeln« von La Fontaine (1928 – 31), außerdem schuf er noch 19 Gouachen für ein Zirkusbuch. Mit Bella entdeckte er die französische Landschaft auf langen Reisen in die Bretagne, Auvergne und nach Savoyen. Außer Landschaften ohne allegorische Elemente schuf er Bilder in traditioneller Thematik mit einem gelockerten Bildaufbau und einer offeneren Form. Eine heitere und intime Zärtlichkeit erscheint in seinen Bildern, z.B. Die Liebenden auf dem Pferd (1931, Amsterdam, Stedelijk Museum). 1930 bekam er von Vollard den Auftrag, die Bibel zu illustrieren, wozu er eine Reise nach Ägypten, Syrien und Palästina unternahm. Den zunehmenden Antisemitismus und die faschistische Bedrohung Europas versuchte er in einer Serie von Gemälden zu verarbeiten, die ihren Höhepunkt mit dem Bild Weiße Kreuzigung (1938, Chicago, Art Institute) fand. Außerdem schuf er Bilder wie Die Zeit ist ein Fluss ohne Ufer (1930-39, New York, Museum of Modern Art), oder das hier gezeigte Bild: Sommernachtstraum, in denen er Elemente aus Kindheitserinnerungen in den Bereich des Phantastisch-Traumhaften überhöhte.

Nachdem die direkte Bedrohung durch den Nationalsozialismus immer stärker geworden war, ging er 1941 mit all seinen Werken nach Amerika. Dort stellte er wieder zunehmend eine innere Verbindung mit seiner russischen Heimat her, was sich in Bildern wie „Das Grüne Auge“ (1944, Sammlung Ida Meyer-Chagall) ausdrückte. 1944 starb seine Frau Bella. 1945 schuf er die Entwürfe zu Strawinskys Ballett »Der Feuervogel« und entwickelte dabei die Grundlage zu einer auf die raumschaffende Kraft der Farbe gegründeten Bildform, bei der alles Abgebildete aus der Farbe gestaltet wird. Zwei große Ausstellungen festigten seinen Ruf: 1946 im Museum of Modern Art in New York und 1947 im Musee National d’Art Moderne in Paris. 

Chagall übersiedelte 1949 endgültig nach Vence in Südfrankreich. Bereits 1948 erhielt er für seine grafischen Arbeiten den ersten Preis der Biennale in Venedig, was die Zahl seiner Ausstellungen sprunghaft steigerte. Seit 1950 erschienen in seinen Bildern große, leuchtende Flächen, die Farbe gewann vollkommene Selbständigkeit und war an keinen Umriss mehr gebunden, wie etwa in Die roten Dächer (1953-54, im Nachlass des Künstlers) und Die Liebenden von Vence (1957, Saarbrücken, Sammlung Schröder). 1952 heiratete er Vava Brosky und unternahm mit ihr zwei Griechenlandreisen; 1954 schuf er aus diesem Eindruck die Gouachen zu »Daphnis und Chloe«. Chagall wandte sich nun immer mehr kolossalen, architekturgebundenen Arbeiten zu, u.a. für Glasfenster, Reliefs und Keramiken für das Baptisterium der Kirche auf dem Plateau d’Assy (1957), Glasfenster für die Kathedrale von Metz (1958-68), Wandgemälde für das Frankfurter Theater (1959), Glasfenster für die Synagoge der Hadassah-Klinik in Ein-Karem bei Jerusalem (1962), Deckengemälde für die Pariser Oper (1964), Wandgemälde für die Metropolitan Opera in New York(1966), Glasfenster für das Fraumünster in Zürich (1969-70), Glasfenster für die Kathedrale von Reims (1972) und schließlich Mosaiken, Wandteppiche, Gemälde für die Schenkung Message Biblique in Nizza (1969- 73).

Chagall brachte vor allem eine »literarische« Phantasie in die Kunst der Ecole de Paris, ein erzählfreudiges Element, das als Quelle die russisch-jüdische Heimat nicht verleugnete. So können vor allem Chagalls Bibellithografien als Meisterwerke der Buchillustration und als dichterische Leistung gelten.

Chagall fand in seiner Malerei zu einem eigenwilligen Symbolismus, der von Erinnerungen an seine Jugend in Russland getragen war. Von den Kubisten, deren Werke ihn eine Zeitlang inspiriert hatten, wandte er sich schließlich wieder ab: Ihre Bildsprache schien ihm auf die Dauer nicht geeignet, seine Intentionnen zu verwirklichen. Er grenzte sich auch von den Surrealisten ab, in deren Malerei für ihn literarische Aspekte eine zu große Rolle spielten.

 

 

 

Marc Chagall  (sein originärer russischer Name war: Мойше Хацкелевич Шагалов  – zu Deutsch: Moische Chazkelewitsch Schagalow) ist am 6. Juli 1887 in Liosno bei Witebsk, im damaligen Russischen Kaiserreich (heute Weißrussland) geboren. Verstorben ist  Chagall am 28. März 1985 im südfranzösischen Saint-Paul-de-Vence wo er auch seine letzte Ruhestätte fand.
Marc Chagall, Der Spaziergang, 1917.
Öl auf Leinwand, 170 x 163,5 cm.
Leningrad, Eremitage.
Marc Chagall, Sommernachtstraum, 1939
Öl auf Leinwand, 117 x 90 cm
Grenoble, Musée de Peinture et de Sculpture
Marc Chagall, La Baou de Saint-Jeannet, 1969
Öl auf Leinwand, 112 x 11 cm
Frankreich, Privatsammlung

Camille Pissarro – Vaterfigur der Impressionisten

Die goldenen Jahre des Impressionismus währten von 1872 bis 1882. Obwohl viele Maler sich zu seinen Zielen bekannten, wurden sie nur von zwei Künstlern, Monet und Pissarro, konsequent verfolgt. Pissarro, älter als die anderen und ehemaliger Corot-Schüler, war die Vaterfigur in der Gruppe. Geboren auf den Jungferninseln, kam er mit seinen Eltern nach Paris und studierte dort an der Ecole des Beaux-Arts und an der Académie Suisse. In den sechziger Jahren wurden seine Werke – liebliche Landschaftsgemälde, die kaum als rebellisch bezeichnet werden konnten – vom Salon akzeptiert.

Als er jedoch aus Corots Schatten hervortrat und seinen Stil änderte, verkauften sich seine Bilder nicht mehr und es folgte eine Zeit, in der er beinahe aufgegeben hätte. Die Lebensbedingungen waren für ihn so hart geworden, dass er kaum in der Lage war, seine Frau und seine Kinder zu ernähren.

Der unerschütterliche Pissarro wich jedoch nie von seinem Weg ab und war der einzige Künstler, der auf allen acht Impressionisten-Ausstellungen seine Werke zeigte. Er sprach den jüngeren Künstlern, besonders Gauguin und van Gogh, immer wieder Mut zu und erfuhr erst an seinem Lebensende wahre Anerkennung und Ehre. Obwohl man an ihn immer nur als Landschaftsmaler denkt, führte er auch einige sehr gute Zeichnungen und Lithographien aus, mit denen er das soziale und politische Leben in Paris kommentierte.

Friedrich II. – Missbrauch eines Mythos – Richard von Weizäcker

7,50 

Faszination JUGENDSTIL – L´Art Nouveau

Die Wiege des Jugendstils, – der französische ’Art Nouveau‘ – entstand um 1890 in Nancy und Paris. Er ging aus der Vereinigung von Malern, Bildhauern, Architekten, Handwerkern und Industriellen hervor, deren gemeinsames Ziel es war, sich von den Konventionen zu befreien, die sie als Fesseln für die freie Gestaltung ihrer Gestaltungsmöglichkeiten empfanden um sich fortan moderneren Ausdrucksformen zuzuwenden.

Es war ihr Bestreben eine Kunst für den täglichen Gebrauch zu schaffen. Die Formen der Gegenstände sollten aus dem alltäglichen Leben stammen: Gemälde, Keramiken und Glaskunst wurden wie die Meereswellen gestaltet. Verschiedene Pflanzen regten zu Mustern für Lampen, Kamine, Tische oder Betten an. Schmuckkästchen, Bibliotheken und Schalen wurden wie Frauenkörper gestaltet.

Das Abbild des arbeitenden Menschen wurde zum Glückssymbol stilisiert.

Ihre Kritiker haben immer wieder versucht, diese Bestrebungen als unbedeutende Episode in der Abfolge von Kunststilen zu deuten –  oder gar als Kunsthandwerk einer rein dekorativen Kunst abzuwerten. Aber es scheint doch mehr als fraglich, ob eine derartige Begrenzung des intellektuellen Aufbruchs im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gerechtfertigt war.

Spätestens seit der Weltausstellung von 1900 in Paris konnte man vielen Zeugnissen des klaren Stilwillens begegnen.

Aber es waren trotz vielversprechender Ansätze auch wirtschaftliche Misserfolge der neuen Stilrichtung zu beobachten, der es anfangs nicht gelang, breitere Schichten von Käufern oder Auftraggebern für sich zu gewinnen, was sich zum Segen der Nachwelt glücklicherweise ändern sollte.

Friedrich II. – Missbrauch eines Mythos – Richard von Weizäcker

7,50 

„Lasst uns gehen, dieser Ort ist ungesund“, sagte Monet

Der Geschmack der neuen Großindustriellen im Frankreich des 19. Jahrhunderts, die dem technischen Fortschritt ungeheure Reichtümer abgewonnen hatten, verlangte nach kulturellen Symbolen der Kontinuität und Stabilität. Er wurde hauptsächlich von dem Maler Ingres gelenkt, der als Präsident der Ecole des Beaux-Arts maßgeblich das ästhetische Denken beeinflusste und folgendes verkündete: „Klassische Figuren sind nur deshalb als schön zu bezeichnen, weil sie der Schönheit der Natur ähneln. Die Natur wird immer schön sein, wenn sie schönen antiken Figuren ähnelt.“

Impressionisten waren an der Natur interessiert wie sie war und nicht wie sie sein sollte

Die Künstler Monet, Renoir, Degas, Sisley und Pissarro traten 1874 mit einer Gruppenausstellung zum ersten mal in Frankreich an die Öffentlichkeit. Das revolutionäre an ihren Werken war nicht nur die neue Maltechnik, sondern auch, daß die Künstler ihre Bilder im Freien malten und statt Form oder Inhalt das Licht als einzige Richtlinie ihrer Kunst proklamierten.

Sie  wehrten sich gegen die Auffassungen, dass jedes Bild einen narrativen Inhalt besitzen solle. Sie befreiten ihre Gemälde von jeglicher literarischen Bedeutung wie auch von der Vorstellung, dass eine Landschaft künstlich arrangiert werden müsse, um eine harmonische Ausgeglichenheit zu erhalten.. Sie waren an der Natur interessiert wie sie war und nicht wie sie sein sollte.

Alfred Sisley
Überschwemmung in Port-Marly, 1886
Leinwand, 48 x 61 cm
Rouen, Musée des Beaux-Art

Claude Monet
Die Seine bei Bourgival, 1869
Leinwand, 63 x 91 cm
Manchester
New Hampshire, USA,
Currier Gallery of Art

In  den hier gezeigten Gemälden wie Monets „Die Seine bei Bougival“ (1869) oder Sisleys „Überschwemmung in Port-Marly“ (1876) konzentriert sich die Aufmerksamkeit ganz und gar darauf, wie Form und Farbe vom Spiel des Lichtes und der Atmosphäre beeinflusst werden. Alle pittoresken Elemente wurden aus dieser Szene verbannt. Es ist, als blicke man auf einen Schnappschuss, der alles genauso wiedergibt, wie es im Moment des Fotografierens war.“ 

Der vorstehende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch:

IMPRESSIONISMUS erschienen als Tablet Art Edition bei Serges Medien in dem einige der schönsten Meisterwerke jener Epoche vorgestellt und historische Zusammenhänge darstellt werden.

7,50 

Friedrich II. – Missbrauch eines Mythos – Richard von Weizäcker