Edgar Maxence, Frau mit Orchidee

Edgar Maxence: Frau mit Orchidee, 1900; Paris, Musée d’Orsay“

„Die Gemälde von Edgar Maxence (1871 – 1954) sind tief beeinflusst von den englischen Prärafaeliten. Die Fremdartigkeit dieser Bilder beruht stark auf einem sehr systematischen Schaffensprozess: Die fotografische Präzision, mit der die Figuren dargestellt sind, steht bewusst einem Hintergrund gegenüber, der sehr dekorativ und oft im Rückgriff auf die Kultur des Mittelalters gestaltet ist, ohne dass er genauer bestimmt oder datiert werden könnte. Der verwirrte Betrachter findet sich in einer Welt, in der das nebensächlichste Detail eine ganz bestimmte Bedeutung haben kann. In gezeigten Bild „La Femme a l’orchidee“ (Frau mit Orchidee), heute im Musée d‘ Orsay in Paris, heben sich Gesicht und Hände des Modells, realistisch wiedergegeben, vom Hintergrund ab, auf dem das Muster des Kleides und die dargestellte Pflanzenwelt ineinander verfließen.

Diese Prinzessin aus der Welt der Legenden schenkt uns einen ungeniert direkten Blick, und als Tüpfelchen auf dem Anachronismus raucht sie eine Zigarette. Dieses Gemälde ist sehr typisch für die Problematik der republikanischen Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts in Bezug auf die Darstellung der Frau. Seit langer Zeit, und nicht zuletzt aufgrund der Wiederbelebung der Porträtkunst in der naturalistischen Malerei der achtziger Jahre, waren Männerbildnisse von Liebhabern anerkannt als Gegenstand der psychologischen und moralischen Analyse hohen Ranges, wohingegen Frauenbildnisse, in denen es den Künstlern allein um die Wiedergabe äußerer Schönheit ging, als der Konvention unterworfen galten. Mit diesem Werk von Maxence, entstanden 1900, das natürlich seinen wesentlichen Reiz noch immer seiner Inszenierung vor einem dekorativen Hintergrund verdankt, begann doch auch die Frau, nachdenklich und aktiv, eine größere Rolle zu spielen.“

Auszug aus dem eBook:

Friedrich II. – Missbrauch eines Mythos – Richard von Weizäcker

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Gründungsdokument „De Stijl-Bewegung“ – Das Manifest I von 1918

Manifest I von 1918 in englischer Originalfassung

Deutsche Übersetzung:

  1. Es gibt ein altes und ein neues Zeitbewusstsein. Das alte richtet sich auf das Individuelle. Das neue richtet sich auf das Universelle. Der Streit des Individuellen gegen das Universelle zeigt sich sowohl in dem Weltkriege wie in der heutigen Kunst.
  2. Der Krieg destruktiviert die alte Welt mit ihrem Inhalt: die individuelle Vorherrschaft auf jedem Gebiet.
  3. Die neue Kunst hat das, was das neue Zeitbewusstsein enthält ans Licht gebracht: gleichmäßiges Verhältnis des Universellen und des Individuellen.
  4. Das neue Zeitbewusstsein ist bereit, sich in allem, auch im äußerlichen Leben, zu realisieren.
  5. Tradition, Dogmen und die Vorherrschaft des Individuellen (des Natürlichen) stehen dieser Realisierung im Wege.
  6. Deshalb rufen die Begründer der neuen Bildung alle, die an die Reform der Kunst und der Kultur glauben, auf, diese Hindernisse der Entwicklung zu vernichten, so wie sie in der neuen bildenden Kunst – indem sie die natürliche Form aufhoben dasjenige ausgeschaltet haben, das dem reinen Kunstausdruck, der äußersten Konsequenz jeden Kunstbegriffs, im Wege steht.
  7. Die Künstler der Gegenwart haben, getrieben durch ein und dasselbe Bewusstsein in der ganzen Welt, auf geistlichem (geistigem) Gebiet teilgenommen an dem Weltkrieg gegen die Vorherrschaft des Individualismus, der Willkür. Sie sympathisieren deshalb mit allen, die geistig oder materiell, streiten für die Bildung einer internationalen Einheit in Leben, Kunst, Kultur.
  8. Das Organ „Der Stil“, zu diesem Zweck gegründet, trachtet dazu beizutragen, die neue Lebensauffassung in ein reines Licht zu stellen.
  9. Mitwirkung aller ist möglich durch.

    I. Als Beweis von Zustimmung, Einsendung (an die Redaktion) von Namen (genau), Adresse, Beruf.
    II. Beiträge im weitesten Sinne (kritische, philosophische, architektonische, wissenschaftliche, literarische, musikalische usw. sowie reproduktive) für die Monatsschrift „Der Stil“
    III. Übersetzung in andere Sprachen und Verbreitung der Ansichten, die in „Der Stil“ veröffentlicht werden.

Unterschrift der Mitarbeiter:
Antony Kok, Dichter
Theo van Doesburg, Maler
Piet Mondriaan, Maler
Robt. van ´t Hoff; Architekt
G. Vantongerloo, Bildhauer
Vilmos Huszar, Maler
Jan Wils, Architekt

Friedrich II. – Missbrauch eines Mythos – Richard von Weizäcker

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Rembrand und das berühmte „Hundertguldenblatt“

Christus heilt die Kranken, (Hundertguldenblatt),
Radierung, 28,3 x 39,5 cm, um 1648/50, Amsterdam, Rijksprentenkabinet

Rembrandt hat zu seinen Lebzeiten viele seiner Werke zurückgekauft. Er war vor allem darauf aus, den Marktwert seiner Kunst zu steigern. Für diese Geschäftsidee investierte er ein Vermögen, worin Historiker u.a. einen wesentlichen Grund für den 1657 erlittenen finanziellen Ruin sehen. Auf Auktionen kaufte er häufig viele seiner Radierungen zu Höchstpreisen zurück. Das berühmteste Beispiel ist seine Radierung „Christus heilt die Kranken“, die er selber für hundert Gulden ersteigerte und die bis heute unter der Bezeichnung „Hundertguldenblatt“ bezeichnet.

Um zu einer aussageträchtigen Interpretation dieser berühmten Radierung zu gelangen, bedienen wir uns einer „Erläuterung“ eines sehr engen Freundes Rembrandts, Hendrik Waterloo, der auf der Rückseite eines der ersten Drucke dieser Radierung ein Gedicht von vier Strophen geschrieben hat. Es ist vor allem die zweite Strophe, die eindeutig darauf hinweist, was Rembrandt hier darstellen will und was in der Bibelstelle „Matthäus 19 – Vers 1-9 und 13 – 26“ berichtet wird:
Die deutsche Übersetzung der Gedichtzeilen Hendrik Waterloos lautet:

„Hier hilft Jesus den Kranken. Und die Kinder – das ist Göttlichkeit – segnet er. Und er straft die, die es verhindern wollen, aber – ach – der Jüngling trauert.
Die Schriftgelehrten verachten den Glauben der Heiligen und die Strahlen der Göttlichkeit Christi“!

Die Kranken und Krüppel auf der rechten Seite des Bildes verweisen auf die in Vers 2 der Bibelstelle Matthäus 19 angesprochenen Heilungen. Auf die im Text ebenfalls erwähnten Pharisäer und ihr Zwiegespräch mit Jesus (Verse 2-9 der Bibelstelle) weist die Gruppe der Diskutierenden links im Hintergrund. Das wichtigste Element der linken Seite bildet die Darstellung der Passage über die Segnung der Kinder (Verse 13-15a). Wir sehen hier zwei Mütter mit Säuglingen auf Jesus zugehen. Eine von ihnen zögert noch und wird von einem kleinen Jungen aufgefordert, den anderen Frauen zu folgen. Der Jünger, der die erste Frau zurückhalten will, wird von Rembrandt nach dem traditionellen Bild des Apostels Petrus dargestellt. Jesus hält ihn mit seiner rechten Hand zurück und ermutigt dadurch die Frau, näher heranzukommen. Ohne auf den Sachverhalt Rücksicht zu nehmen, dass Jesus nach Vers 15 – im Anschluss an die Segnung weiterzieht, nimmt Rembrandt auch noch den reichen Jüngling, von dem im nächsten Textabschnitt die Rede ist, in diese Szene mit auf. Mit der Hand vor dem Mund sitzt er da und schaut bestürzt in die Ferne, weil er erfahren musste, dass sein Reichtum ihn daran hindert, Jesus zu folgen (Verse 16-22). Danach sagte Jesus zu seinen Jüngern: „Amen ich sage euch: Ein Reicher wird nur schwer in das Himmelreich kommen. Nochmal sage ich euch: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ Auf diese Worte spielt schließlich noch die Darstellung eines Kamels an, das rechts im Hintergrund durch das Tor kommt.

Im 16. und darauffolgenden 17. Jahrhundert war es durchaus üblich, dass Illustrationen biblischer Themen die verschiedenen aufeinanderfolgenden Ereignisse eines ganzen Kapitels als sich gleichzeitig abspielend darstellten. Diese Technik eines gleichzeitigen Ablaufes bestimmten nun allerdings nicht mehr den von Rembrandt praktizierten erzählenden Stil, der schon die Einheit von Zeit, Ort und Handlung verlangte. Durch die Wahl der Segnung der Kinder zum Hauptthema seiner Darstellung war er deshalb gezwungen, die nachfolgende Szene vom reichen Jüngling und die vorangegangene Heilung der Kranken und die Auseinandersetzung mit den Pharisäern aufzunehmen, dass er die im Text vorgegebene zeitliche Aufeinanderfolge auflöst: So warten die Kranken noch auf ihre Heilung, und die Pharisäer diskutieren noch, mit welcher Frage sie Jesus eine Falle stellen können.

Nun konnte Rembrandt die verschiedenen Inhalte dieses Kapitels zu einer beeindruckenden Momentaufnahme vereinigen, in deren Jesus als der Wohltäter dasteht, der segnet, heilt, lehrt und Menschen in seine Nachfolge ruft. Zweifellos hat auch die Unmöglichkeit, die Inhalte dieser Radierung unter einem Titel zusammenzufassen, dazu beigetragen, dass sie unter dem nichtssagenden Titel „Hundertguldenblatt“ bekannt geworden ist.
Die Bezeichnung geht auf die Zeit zu Beginn des 18. Jahrhunderts zurück und basiert auf der Legende, dass Rembrandt einst einhundert Gulden bezahlt haben soll, um von seinem meist gefragten Druck ein einziges Exemplar zurück zu kaufen.

Friedrich II. – Missbrauch eines Mythos – Richard von Weizäcker

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Carel Fabritius – Ansicht des Oude Langedijk

Carel Fabritius, Ansicht des Oude Langedijk in Delft, 1652
Öl auf Leinwand, auf Holz aufgezogen, 15,5 X 31,6 cm
London, The National Gallery

Dieses vor 1654 von Fabritius gemalte Motiv dürfte Vermeers größte Aufmerksamkeit erregt haben. Die Ansicht des Oude Langendijk in Delft wirkt perspektivisch verzerrt, was aber nicht auf ein Unvermögen im Gebrauch der künstlerischen Mittel, sondern auf die offensichtliche Verwendung der sog. Camera obscura als Hilfsmittel bei der Bildgestaltung zurückgeht, also auf die Lochkamera, jenen damals gebräuchlichen Vorläufer des Fotoapparates, der eine präzise Darstellung des Motivs unter Einbeziehung einer völlig neuartigen Tiefenwirkung ermöglichte.“

Friedrich II. – Missbrauch eines Mythos – Richard von Weizäcker

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Berthe Morisot – Von der Kunstgeschichte ignoriert

Impressionistin der ersten Stunde
Berühmte Malerkollegen wie Auguste Renoir, Edgar Degas oder Claude Monet waren von ihr begeistert und haben sie verehrt:

Berthe Morisot, geboren am 14.1.1841 in Bourges und verstorben am 2.3.1895 in Paris, gehörte zu den beutenden Mitbegründern des Impressionismus. Sie beteiligte sich – außer in 1877 – an sämtlichen Ausstellungen dieser revolutionären Kunstrichtung. Schon als 15 Jährige war ihr größter Wunsch Malerin zu werden. Zusammen mit ihrer Schwester Elma erhielt sie Zeichenunterricht und arbeitete ab 1857 bei dem Lyoner Maler Joseph Benoit Guichard, der die beiden Mädchen klug zu führen verstand. Durch seine Vermittlung wurde ab 1862 Jean Baptiste Camille Corot ihr Lehrer, der die weitere Entwicklung der Malerin bis Ende der Sechziger Jahre stark beeinflusste.

Deutlich wird dieser Bezug z.B. in dem hier dargestellten Landschaftsbild „Hafen von Lorient“, auf dem rechts im Vordergrund Berthes Schwester abgebildet ist: 1868 begegnete sie Edouard Manet, dessen bevorzugtes Modell sie wurde. Manet, mit dem sie freundschaftlich verbunden war, gab ihr Anleitung in der Technik des Pastells und überarbeitete gelegentlich sogar ihre Bilder.

Es ist erstaunlich, dass sie trotz Manets Präsenz künstlerisch kaum unter dessen Einfluss geriet – ihre Bilder sind stets atmosphärischer und intimer in der Aussage. Berthe Morisot pflegte instinktiv zunächst die Freilichtmalerei, worin sie vor allem Charles Francois Daubigny bestärkt haben dürfte, den 1863 in Pontoise kennengelernt hatte. Sie selbst war es, die Manet für das Malen im Freien gewann. immer wieder malte sie aber auch Interieurs und nach 1873 kaum noch Landschaften.

1874, anläßlich der ersten Impressionisten Ausstellung im Atelier des Fotografen Felix Radar, an der sie sich gegen Manets Willen beteiligte, stelle sie das hier gezeigte Bild: „Die Wiege“ aus – heute eines ihrer bekanntesten Bilder.

1875 organisierte Berthe Morisot, Alfred Sisley, Claude Monet und Pierre Auguste Renoir im Pariser Hotel Drouot eine Versteigerung, bei der der durchschnittlich Erlös 10 Francs betrug. Berthes erzielte mit 480 Francs den höchsten Preis für eines ihrer Interieur Bild 1877 heiratete sie Eugène Manet, den Bruder des Malers. Unter dem Eindruck der Werke von William Turner und John Constable, die sie 1875 in London studiert hatte, und durch ihren Aufenthalt auf der Insel Wright, von dem sie einige Marinebilder mitbrachte, war ihr Farbauftrag erstaunlich locker geworden.

Farblich gelangen ihr irisierende Effekte, bei denen die Realität manchmal nur noch angedeutet war. Um 1880 erlangte die Malerin ihre größte Reife. Bei der Impressionisten Ausstellung in diesem Jahr hinterließ sie einen sehr starken Eindruck. In der malerischen Sensibilität erreichte sie ihren Höhepunkt. Es gelang ihr vielfältige Kontraste auf bisher  ungekannte Weise zu harmonisieren. Und auch in der spontanen Technik des Aquarells zeigte sich ihr ganz spezifischer Charme. Nach dem Tode von Edouard Manet im Jahre 1883 ist eine Annäherung an den Malstil von Pierre Auguste Renoir zu erkennen, der in dieser Zeit in Auguste Dominique Ingres seinen Meister sah. Das bedeutete eine Priorität der Zeichnung und exakten Formdefinition.

Für Berthe Morisot lag die Beschäftigung mit Druckgrafiken nahe, die sie jedoch nur zwischen 1888 und 1890 schuf. Es folgten weitere Ausstellungen wie z.B. 1886  in den USA und 1887 am „Salon de XX“ in Brüssel. 1892 hatte sie ihre erste Einzelausstellung in Paris, nachdem ein Jahr zuvor ihr Mann verstorben war. Ihr Gesamtwerk wirkt wie ein familiäres Tagebuch, gleichzeitig ist es ein wesentlicher Teil der Geschichte des Impressionismus. Obwohl andere Künstler die Malerei von Berthe Morisot teilweise beeinflussten, blieb ihre Kunst immer eigenständig.

Friedrich II. – Missbrauch eines Mythos – Richard von Weizäcker

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