Kandinsky begann 1908 mit Gabriele Münter im bayerischen Murnau zu arbeiten, wo er die Schönheit der Volkskunst entdeckt hatte. In breiten Flecken baut Kandinsky nun Landschaft und Hausbauten auf. Er setzt die Architektur mit ihren festen Kuben gegen die flackernden Farb- und Lichtflecken der Bäume und Wege. Der vollklingende Gesamteindruck des Bildes geht von den kräftigen und reinen Farbflächen aus. Die glasfensterhafte Dichte des Kolorits stimmt mit Kandinskys Wunsch überein: „Ein Bild muss klingen“ und von einem „inneren Glühen durchtränkt sein“. Gerade die Malerei sei imstande, „märchenhafte Kraft und Pracht hervorzubringen“, wenn die Farben der Natur eingeschränkt und durchaus übertrieben dargestellt würden.
Aus dieser Einstellung gegenüber der Realität zog Kandinsky um 1910 die Konsequenz, indem er kein Abbild der Natur mehr suchte und schrittweise den Gegenstand aus dem Bild verbannte. Die Entdeckung des von „innerem Glühen durchtränkten Bildes“ machte Kandinsky keineswegs unvorbereitet und zufällig. Die dichte Reihe der Arbeiten nach 1910, die er „Impressionen“ oder „Improvisationen“ nannte, verdeutlicht, dass die Gegenstände nicht völlig verschwanden, sondern als zeichenhafte Chiffren und Erinnerungen präsent und lesbar blieben. Erst im Jahre 1914 hat sich dieser Prozess einer völligen Loslösung vom Gegenstand voll ausgeprägt, so dass auch von den Bildtiteln keine gegenständlichen Assoziationen mehr möglich sind.
Bis zum Ausbruch des Krieges und dem Ende der Zusammenarbeit im „Blauen Reiter“ kombinierte Kandinsky jedoch die Eindrücke der „inneren Natur“ mit den Erlebnissen der sichtbaren Welt. Knäuelartige Verdichtungen aus Linien und farbigen Rinnsalen überziehen streumusterhaft die Bildräume. Besonders die „Malerei mit rotem Fleck“ kennzeichnet diese im Bild sich abwickelnde Dramatik wogender Farb- und Formverschiebungen und Durchbrüche.
In der Mitte ist unten ein Schiff zu erkennen, darüber steigen gewaltige Hügelketten wellenförmig auf. Der Betrachter muss nun aber lernen, das Bild als Darstellung einer Stimmung und eines Farbklanges zu erleben und nicht mehr als Wiedergabe von Gegenständen. „Der Sinn ist nicht mehr der Gegenstand, sondern der innere Klang dieser Form“, so Kandinsky. Dies ist die Botschaft Kandinskys; sie bestimmt seine Sonderstellung als Pionier der gegenstandslosen autonomen Malerei. Schülerin und bis 1915 Lebensgefährtin von Kandinsky in München war Gabriele Münter. Kandinskys wache Intelligenz und seinen konsequenten Weg zur Abstraktion bewunderte sie grenzenlos. „Er (Kandinsky) hat mein Talent geliebt, verstanden, geschützt und gefördert“, bekennt sie in ihren Erinnerungen, während Kandinsky Münters enorme Gestaltungskraft, Sensibilität und Beharrlichkeit rühmte.
Gabriele Münter ging nicht den Weg der Ungegenständlichkeit und der „heroischen“ Komposition, sondern beseelte gleichsam mit dem vollen tiefen Klang ihres strahlenden Kolorits die Stille und erlebte Wirklichkeit der Dinge. Diese Weltsicht schlichten, doch intensiven Empfindens verbindet sie mit Paula Modersohn-Becker. Auch Gabriele Münter bewunderte wie Kandinsky die einfache, aber kräftige Malweise der bayerischen Hinterglasmalerei, in deren Technik auch sie malte.
In großer Konzentration formte sie ihre Porträts wie die „Sinnende“ Die an den linken Vordergrund gerückte Figur mit den traumhaft blickenden Augen und den blassen Gesichtszügen wird von Dingen des Alltags wie Tischlampe, Äpfel und Blumenvase umgeben. Sie verwandeln sich jedoch unmerklich zu Sinnbildern für Harmonie und Melancholie. Die blauen Blüten über dem Kopf erinnern an die „Blaue Blume“ der deutschen Romantik als Zeichen für Inspiration und Phantasie.
Als Franz Marc im Jahre 1911 die Bilder seines Freundes Kandinsky sah, empfand er „im ersten Moment die große Wonne seiner starken, reinen, feurigen Farben, und dann beginnt das Gehirn zu arbeiten; man kommt nicht los von diesen Bildern und man fühlt, dass einem der Kopf zerbricht, wenn man sie ganz auskosten will.“ Für Marcs künstlerische Entwicklung seit 1911 wurde die Nähe zu Kandinsky ebenso wichtig wie die Bekanntschaft mit August Macke in Bonn. Gemeinsames Ziel war der Ausdruckswert und die Anwendung reiner Farben. Auf der Suche nach dem Farbklang im Bild reiste Marc 1912 mit Macke nach Paris zu Robert Delaunay, dem Wiederentdecker des Farblichts.