Der Kaiser ist empört: „… dieses Gemälde ist ein Angriff gegen die Sittsamkeit“

„Alle wollten das Gemälde sehen, auf dem zwei bekleidete junge Männer und zwei junge Frauen, die eine halb angezogen, die andere völlig nackt, auf einer kleinen Waldlichtung ein Picknick abhielten. Das nackte Mädchen blickt dabei dem Betrachter mit einer derartig bezaubernden Unbekümmertheit in die Augen, dass sämtliche Kritiker angesichts dieser Obszönität beinahe in Ohnmacht fielen. Der Skandal war perfekt, ganz Paris stand Kopf.

Für die Öffentlichkeit, die gewohnt war, dass Bilder Geschichten erzählten, blieb „Das Frühstück im Freien“ unverständlich. Manet selbst befremdeten und verletzten die Reaktionen auf sein Werk. Es war und ist allgemein üblich, dass Künstler die Kompositionen alter Meister kopieren und sie in ihrem eigenen Stil neu darstellen.

Damit war Manet weit davon entfernt, der traditionellen europäischen Malerei eins auszuwischen, wie böse Zungen behaupteten. Die dargestellte Personengruppe hatte er fast originalgetreu aus Raimondis Stich „Das Urteil des Paris“ nach einem Gemälde von Raffael übernommen, wenngleich er aus den mythologischen Gestalten Menschen seiner eigenen Zeit gemacht hatte. Der elegante und gebildete Manet war kein aufbrausender Revolutionär, der über die Beleidigungen und Seitenhiebe, die die bessere Gesellschaft auf ihn niederprasseln ließ, in Rage geriet. Wie Degas auch kam er aus der oberen Mittelschicht und war zum Zeitpunkt des „Frühstück im Freien“ in den gehobenen Künstlerkreisen bereits voll anerkannt. Schon zwei Jahre vorher hatte der Salon zwei Porträts von ihm akzeptiert, und als sich die impressionistische Bewegung allmählich etablierte, wurden auch immer mehr seiner Werke von den Institutionen aufgenommen.“

EDOUARD MANET, Das Frühstück im Freien, 1863
Leinwand, 208 × 264 cm, Paris, Musée d’Orsay

MARCANTONIO RAIMONDI, ca. 1480-1530
Das Urteil des Paris, Stich nach Rafael

Auszug aus dem eBook:

Friedrich II. – Missbrauch eines Mythos – Richard von Weizäcker

7,50 

Ebenfalls erhältlich bei:

Gründung und Ausstellung der ersten Impressionistengruppe

„Die Impressionisten hatten es hauptsächlich dem Kunsthändler Paul Durand-Ruel zu verdanken, dass sie ihre ersten Gemälde ausstellen durften. Durand-Ruel organisierte für sie zwischen 1870 und 1875 in seiner eigenen Galerie in London einige Ausstellungen. Wieder in Paris arbeiteten die Künstler einen regelrechten Schlachtplan aus, um ihre erste eigene Ausstellung außerhalb des Pariser Salon zu erhalten. Am 15. April 1874 eröffnete die Ausstellung der ersten Impressionistengruppe im Atelier des Fotografen Nadar an der Ecke des Boulevard Capucines.

Sie trug den nicht sehr rühmlichen Titel „Anonyme Gesellschaft von Künstlern, Malern, Graveuren etc.“. Von den dreißig Ausstellern hatten sich acht Künstler zu einer solidarischen Gruppe zusammengeschlossen: Monet, Renoir, Pissarro, Cézanne, Degas, Sisley, Boudin und eine einzige Frau, Berthe Morisot, eine Freundin Manets. Eines der gezeigten Gemälde war dazu bestimmt, der Ausstellung einen treffenden Namen zu geben: Es war von Monet und hieß „Impression: Sonnenaufgang“. Als Louis Leroy, der Kritiker des satirischen Magazins „Le Charivari“ dieses Bild sah, kreierte er das Wort „Impressionismus“ – und dies war alles andere als wohlgefällig gemeint.“

CLAUDE MONET
Impression, aufgehende Sonne, 1872
Leinwand, 48 × 63 cm
Paris, Musée Marmottan

Auszug aus dem eBook:

Friedrich II. – Missbrauch eines Mythos – Richard von Weizäcker

7,50 

Ebenfalls erhältlich bei:

„Lasst uns gehen, dieser Ort ist ungesund“, sagte Monet

„Der Geschmack der neuen Großindustriellen im damaligen Frankreich, die dem technischen Fortschritt ungeheure Reichtümer abgewonnen hatten, verlangte nach kulturellen Symbolen der Kontinuität und Stabilität. Er wurde hauptsächlich von dem Maler Ingres gelenkt, der als Präsident der Ecole des Beaux-Arts maßgeblich das ästhetische Denken beeinflusste und folgendes verkündete: „Klassische Figuren sind nur deshalb als schön zu bezeichnen, weil sie der Schönheit der Natur ähneln.

Die Natur wird immer schön sein, wenn sie schönen antiken Figuren ähnelt.“ Als Monet, Renoir, Sisley und Bazille in Paris die Malerei erlernten, mussten auch sie die Antike – griechische Büsten und Reliefs – studieren. „Lasst uns gehen, dieser Ort ist ungesund“, sagte Monet, „hier gibt es keine Ehrlichkeit.“ Die offizielle Kunst erschien ihnen wie eine Wachsmaske, die, sobald man sie entfernte, einen Mangel an geistigem Inhalt offenbarte. Sie klammerte sich zu sehr an die Vergangenheit, wobei ihr jeglicher geistiger Schwung fehlte.“

CLAUDE MONET
Frau mit Sonnenschirm, nach rechts gewandt 1886
Leinwand, 131 × 88 cm
Paris, Musée d’Orsay

CLAUDE MONET
Frau mit Sonnenschirm, nach links gewandt, 1886
Leinwand, 131 × 88 cm
Paris, Musée d’Orsay

CLAUDE MONET
Frau mit Sonnenschirm, nach links gewandt, 1886
Leinwand, 131 × 88 cm
Paris, Musée d’Orsay

Auszug aus dem eBook:

Friedrich II. – Missbrauch eines Mythos – Richard von Weizäcker

7,50 

Ebenfalls erhältlich bei:

Impressionismus als Abkehr alter Wertvorstellung

„Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in der französischen Kunst die alten klassischen Wertvorstellungen, die aus der Renaissance und dem Barock übernommen worden waren, ernsthaft in Frage gestellt. Das Ergebnis war die Abkehr von allem Alten und der damit verbundenen Vorstellung, dass Schönes nur in Nachahmung des Alten entstünde. Aber mit der Zeit durchdrang der neue Geist des Rationalismus und der Wissenschaft jeden Lebensbereich. Statt weiterhin nach der Eroberung neuer Territorien zu streben, wollte Frankreich jetzt den Frieden im eigenen Reich sichern und sich zugleich um politische und geistige Nahrung für sein Volk kümmern, daher richtete man sein Augenmerk hauptsächlich auf Kunst und Religion.

Aus den vom Krieg verwüsteten und übervölkerten Städten zogen Maler wie Corot aufs Land, von dem auch die hier gezeigten Werke stammen. Sie hofften, dort die Energiequellen ihrer Kunst wiederzubeleben, indem sie den Alltag der einfachen Landbevölkerung beobachteten. Der Stoizismus und der lange Leidensweg der Bauern und Landarbeiter wurde bald zum Symbol für die nationale Stärke – dem Kern des französischen Charakters.
Die Impressionisten stürzten sich mit Begeisterung auf dieses neue Thema und die Landschaftsmalerei gewann zunehmend an Wichtigkeit.“

JEAN-BAPTISTE CAMILLE COROT
Blick auf Dünkirchen von einem Fischerbecken aus, 1873
Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart

JEAN-BAPTISTE CAMILLE COROT
Die Brücke von Narni, 1826
Papier auf Leinwand, 34 × 48 cm
Paris, Musée National du Louvre

THEODORE ROUSSEAU
Weiden, 1856
Leinwand, 24 × 32 cm
Genf, Musée d’Art et d’Histoire

Auszug aus dem eBook:

Friedrich II. – Missbrauch eines Mythos – Richard von Weizäcker

7,50 

Ebenfalls erhältlich bei:

Impressionisten waren an der Natur interessiert wie sie war und nicht wie sie sein sollte

„Die Künstler Monet, Renoir, Degas, Sisley und Pissarro traten 1874 mit einer Gruppenausstellung zum ersten Mal in Frankreich an die Öffentlichkeit. Das Revolutionäre an ihren Werken war nicht nur die neue Maltechnik, sondern auch, dass die Künstler ihre Bilder im Freien malten und statt Form oder Inhalt das Licht als einzige Richtlinie ihrer Kunst proklamierten. Sie wehrten sich gegen die Auffassungen, dass jedes Bild einen narrativen Inhalt besitzen solle.

Sie befreiten ihre Gemälde von jeglicher literarischen Bedeutung wie auch von der Vorstellung, dass eine Landschaft künstlich arrangiert werden müsse, um eine harmonische Ausgeglichenheit zu erhalten. Sie waren an der Natur interessiert wie sie war und nicht wie sie sein sollte. In den hier gezeigten Gemälden wie Monets „Die Seine bei Bougival“ (1869) oder Sisleys „Überschwemmung in Port-Marly“ (1876) konzentriert sich die Aufmerksamkeit ganz und gar darauf, wie Form und Farbe vom Spiel des Lichtes und der Atmosphäre beeinflusst werden.

Alle pittoresken Elemente wurden aus dieser Szene verbannt. Es ist, als blicke man auf einen Schnappschuss, der alles genauso wiedergibt, wie es im Moment des Fotografierens war.“

CLAUDE MONET
Die Seine bei Bougival, 1869
Leinwand, 63 × 91 cm
Manchester, New Hampshire, USA,

ALFRED SISLEY
Überschwemmung in Port-Marly, 1876
Leinwand, 48 × 61 cm
Rouen, Musée des Beaux-Arts

CHARLES-FRANÇOIS DAUBIGNY
Landschaft, 1854
Holz, 13,5 × 24,5 cm
Aargau, Aargauer Kunsthaus

Auszug aus dem eBook:

Friedrich II. – Missbrauch eines Mythos – Richard von Weizäcker

7,50 

Ebenfalls erhältlich bei: